Symbiose der Kulturen
Am Tag nach Donald Trumps Wahl zum Präsidenten, so erzählt der Geiger Gregor Hübner, habe er mit der Komposition begonnen. Und wirklich: Hübners Ingrimm über den desaströsen Wahlausgang kann man seinem Stück „New World, Nov. 9 2016“ durchaus anhören, das er nun beim Konzert seines Sirius Quartet im Theaterhaus gespielt hat. Anlass für die Komposition war ein Wettbewerb, den die New Yorker Philharmoniker ausgeschrieben hatten – mit der Vorgabe, für ein neues Werk Themen aus Dvoraks neunter Sinfonie zu verwenden, die in den USA einst zum Synonym für die neue nationale Sinfonik wurde. Und so hat Hübner, der in Stuttgart geboren wurde und seit langem in New York lebt, das berühmte Englischhornthema aus dem Largo gründlich durch den Fleischwolf gedreht und es in neue rhythmische und harmonische Kontexte gestellt. Herausgekommen ist ein pointiert vielschichtiges, kurzweiliges Stück, für das Hübner, wie er bei der Ansage leicht schwäbelnd und quasi nebenbei bemerkt, den ersten Preis des Wettbewerbs gewonnen hat.
Seit über zehn Jahren gibt es nun das Sirius Quartet. Mit traditionellen Streichquartetten hat es eigentlich nur noch die Besetzung gemeinsam, musikalisch geht es insofern neue Wege, als es überwiegend Eigenkompositionen spielt, innerhalb derer Improvisation ein integrales Element darstellt. Jazz, Pop, Weltmusik und zeitgenössische E-Musik gehen dabei derart homogen ineinander auf, dass man den abgenutzten Begriff Crossover darauf gar nicht anwenden möchte: was die vier Musiker da im Lauf der Jahre entwickelt haben, darf als dezidiert eigener Stil durchgehen. Eine Symbiose unterschiedlicher Kulturen, aus der sich die individuellen musikalischen Sozialisationen der einzelnen Musiker aber durchaus heraushören lassen. Bei Hübners Stücken etwa schimmern immer wieder Reminiszenzen an den argentinischen Tango Nuevo durch. Bei den von repetitiven Mustern durchzogenen Kompositionen des Cellisten Jeremy Harman meint man Einflüsse der minimal music zu erkennen, während der aus Malaysia stammende Geiger Fugh Chern Whei auf subtile Manier Folklorismen mit neuer Musik verbindet.
Alle Stücke des Sirius Quartet eint, dass ihre, vor allem rhythmische, Komplexität niemals in Kompliziertheit umschlägt: das bleibt immer fasslich und hörbar, was vielleicht auch an der Arbeitsteilung innerhalb des Ensembles liegt. Groovende Patterns des Cellisten bilden oft die Basis für solistische Höhenflüge der beiden auch technisch beschlagenen Geiger, zuverlässig assistiert vom Bratschisten Ron Lawrence, der als einziger nicht als Komponist in Erscheinung tritt. So schlägt das Sirius Quartet einen grandiosen Bogen über die Musik unserer Zeit, die selbstverständlich auch Pop mit einschließt: „Eleanor Rigby“ von den Beatles setzt an diesem Abend den fulminanten Schlusspunkt. (STZN)